C – Wohnen in Wiesbaden

1. Bezahlbarer Wohnraum für alle

Wohnen ist ein Grundbedürfnis, dessen Befriedigung für immer mehr Menschen zum großen Problem wird. Die Mieten haben in den Großstädten und Ballungsräumen längst eine Höhe erreicht, die auch für Bezieherinnen mittlerer Einkommen nicht mehr erschwinglich ist. Für die von prekärer Beschäftigung und der Ausweitung des Niedriglohnsektors Betroffenen ist die Lage noch schwieriger.

Mieterhaushalte am unteren Ende der Einkommensskala werden aus ihren gewohnten Quartieren verdrängt. Und während statistisch der Wohnflächenverbrauch pro Kopf steigt, müssen sich diese Menschen mit weniger Raum zum Wohnen begnügen. Dies hat Auswirkungen über die aktuelle Situation der Haushalte hinaus. Beengte Wohnverhältnisse können für Kinder zu einer deutlichen Beeinträchtigung ihrer Bildungs- und Teilhabechancen führen. Die zunehmende soziale Spaltung zeigt sich auch in der Wohnungsraumsversorgung.

Die Ursachen für diese Entwicklung liegen in einer verfehlten liberalisierten Wohnungspolitik und einer seit vielen Jahren völlig unzureichenden Förderung zum Erhalt und Ausbau von günstigem, insbesondere sozial gebundenem Wohnraum durch Bund und Land. Eine Politik, die nicht berücksichtigt, dass Wohnraum für Alle nicht durch private Investitionen alleine zu erreichen ist. Wir GRÜNE begrüßen deshalb, dass die Hessische Landesregierung unter Grüner Beteiligung umgesteuert hat und die soziale Wohnraumförderung, die Förderung von Wohnraum für Studierende und für Haushalte mit mittleren Einkommen deutlich gestärkt hat.

Doch ein Grundproblem bleibt: Der Markt alleine ist nicht in der Lage, den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken.

Es reicht aber nicht, allein auf Landesebene die richtigen Weichen zu stellen – ohne eine grundlegende Neuausrichtung der Wohnungspolitik auf allen Ebenen wird die problematische Wohnraumversorgung für wachsende Teile der Bevölkerung nicht zu bewältigen sein. Einzelmaßnahmen reichen dazu nicht aus. Die Mietpreisbremse z.B. wurde von der Großen Koalition im Bund zu spät beschlossen, sie gilt nicht für Neubauten und nicht für umfassende Modernisierungen. Gerade letztere führen aber oft zu Vertreibung von Mietern. Auch bei Wohnungen, deren Miete schon vor Einführung der Mietpreisbremse überteuert waren, gilt die neue Regelung nicht.

Für die Ausgestaltung der Wohnungspolitik ergeben sich noch weitere Aspekte und Schnittstellen zu anderen Politikbereichen. Gesundes Wohnen setzt z.B. eine sorgfältige Auswahl der Baustoffe voraus, energieeffizientes Wohnen senkt die Wohnkostenbelastung und schont die Umwelt. Flächensparende und Autoverkehr vermeidende Stadtentwicklungskonzepte ermöglichen eine Stadt der kurzen Wege und verhindern weitere Zersiedelung. Neue Wohnformen und Wohninitiativen geben veränderten Lebensstilen Raum und tragen zur Vermeidung von sozialer Isolation nicht nur im Alter bei.

Wiesbaden ist von der oben skizzierten Entwicklung nicht ausgenommen. Unsere Stadt gehört zu den teuersten Wohnstädten in Deutschland.

Während nahezu ein Drittel der Haushalte in der Einkommensgrenzen. des sozialen Wohnungsbaus liegen und Tausende als Wohnungssuchende registriert sind, sinkt die Zahl der Sozialwohnungen infolge auslaufender Bindungen seit vielen Jahren rapide. Gab es Anfang der 90er Jahre noch rd. 25.000 Sozialwohnungen in Wiesbaden, sind es heute weniger als 10.000. Angesichts der geringen Zahl neugebauter Sozialwohnungen wird sich dieser Trend weiter fortsetzen. Allein bei den städtischen Wohnungsgesellschaften sind in den letzten Jahren über 100 Wohnungen pro Jahr aus der Bindung gefallen.

Neu gebaut werden vor allem hochpreisige Wohnungen. Dies sind entweder Eigentumswohnungen oder oft Mietwohnungen mit einem Mietpreis von mehr als 10 Euro pro Quadratmeter. Ehemalige Sozialwohnungen werden nach Ende der Mietpreisbindung zu deutlich höheren Mietpreisen neu vermietet. Bei Wohnungen im Besitz der städtischen Wohnungsgesellschaften ist die Erhöhung auf den Mittelwert des Mietspiegels gedeckelt. Selbst dieser Wert ist inzwischen für viele Haushalte in Wiesbaden, insbesondere Familien, zu hoch. Für zahlreiche Haushalte bedeutet bereits eine Kaltmiete von 6.- Euro/qm eine Brutto-Wohnkostenbelastung von rd. 40% des verfügbaren Einkommens. Hinzukommen noch Nebenkosten, insbesondere Heizkosten.

Wir brauchen nicht einfach Wohnraum – wir brauchen bezahlbare Wohnungen für alle!

Auch wenn auf kommunaler Ebene allein die Probleme der Wohnungsversorgung nicht überwunden werden können, so müssen dennoch alle Anstrengungen unternommen werden, um die Situation zu entspannen. Hierzu gehören insbesondere folgende Punkte:

Es müssen in Wiesbaden mehr Sozialwohnungen neu geschaffen werden als durchschnittlich in den letzten Jahren. Die sozialen Bindungen können durch Neubau und Sanierungsförderung, aber auch durch Ankauf von Belegrechten erworben werden.

Bei privat finanzierten Neubauprojekten von mindestens 20 Wohneinheiten sind verbindlich mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen zu realisieren. Diese dürfen nicht ausgelagert werden, sondern müssen also vor Ort im Baugebiet realisiert werden. Vom Mindestanteil von 30 Prozent darf nur abgewichen werden, wenn in einem Quartier bereits ein hoher Anteil an sozialen Bedarfslagen vorhanden ist.

Die Bestandspolitik muss auf den Erhalt preiswerten Wohnraums ausgerichtet sein. Hierbei muss bedarfsweise die gesamte Palette der rechtlichen Möglichkeiten eingesetzt werden (z.B. innovative Anwendung der Erhaltungssatzung, Vorkaufsrechte).

Maßnahmen der Stadtentwicklung (Aufwertungen) müssen frühzeitig hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Mieten untersucht werden und behutsam erfolgen.

Öffentliche Wohnungsgesellschaften, insbesondere diejenigen im kommunalen Besitz, verstehen wir als Instrumente einer sozialen Wohnungspolitik. Sie müssen konsequent nach entsprechenden Grundsätzen arbeiten. Einen Verkauf dieser Gesellschaften oder von Anteilen an ihnen lehnen kategorisch ab. Ebenso eine Abführung von Gewinnen, z.B. an die städtische Holding oder öffentliche Haushalte. Stattdessen sollten eventuelle Gewinne investiert werden, um weitere bezahlbare Wohnungen bereitzustellen.

Zur Finanzierung soll auch die Fehlbelegungsabgabe dienen, für deren Wiedereinführung wir GRÜNE uns erfolgreich eingesetzt haben.Sie ist ein wichtiges Instrument für mehr Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt und sollte auch in Wiesbaden unmittelbar umgesetzt werden.

Die Orientierung der Miete für nicht preisgebundene Wohnungen der städtischen Gesellschaften am Mietspiegelmittelwert bedeutet für viele Haushalte eine nicht tragbare Belastung. Der Mietspiegel wird nur durch die neuen Mietvereinbarungen der letzten 4 Jahre gebildet, er zeigt also keinen Mittelwert der Mieten, sondern die jüngste Mietenentwicklung. Dies ist kein Maßstab für eine soziale Wohnungspolitik.

Die Gesamtzahl der Wohnungseinheiten der städtischen Gesellschaften muss im öffentlichen Besitz der Stadt Wiesbaden bleiben. Wichtig ist, dass die Anzahl der im Besitz befindlichen Wohneinheiten nicht schrumpft sondern wenn möglich steigt.

Die Realisierung von Wohnmodellen ist von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu unterstützen. Mieterinnen und Mieter sollen Möglichkeiten erhalten, sich in Fragen der Gestaltung ihrer Wohngebäude und des Umfeldes zu beteiligen.

Viele WiesbadenerInnen sind durch die Heizkosten und andere Nebenkosten von einer hohen ‚Zweiten Miete‘ belastet. 40 Prozent der in Deutschland verbrauchen Energie gehen auf das Konto des Gebäudebestands. Um Heizkosten und CO²-Ausstoß zu vermindern, muss in Wiesbaden mehr als bisher getan werden. Die GRÜNEN fordern, dass der Klimaschutzfonds von ESWE die Förderung von energetischen Wohnungssanierungen ausweitet.

Das Wohnungsangebot für junge Menschen in Ausbildung und Studium bleibt noch immer weit hinter der Nachfrage zurück. Die – für die bald 15.000 Studierenden in unserer Stadt – vorhandenen 500 Plätze sowie die aktuell geplanten rund 600 zusätzlichen Plätze in Studierendenwohnheimen können den Bedarf von rund 2200 Plätzen nur etwa zur Hälfte decken. Deshalb ist der Bau weiterer Wohnheime mit preisgünstigen Unterkünften notwendig. Die schon geplanten neuen Studierendenwohnungen müssen schnell realisiert werden. Neue Wohnheime sollen möglichst zentrumsnah entstehen. Die Hochschulen, die Stadt und der AStA sollen darüber hinaus weiter bei privaten Vermietern für bezahlbare Vermietung an Studierende werben.

2. Raum und Unterstützung für Wohninitiativen – alternative Wohn-, Bau- und Lebensformen ermöglichen

Alternative Wohnkonzepte sind in der breiten Bevölkerung noch weitgehend unbekannt. Sie bekannter zu machen, ist ein Ziel GRÜNER Bestrebungen. Denn so vielfältig wie die Menschen, die sich in Wohninitiativen zusammenfinden, so vielfältig sind die Motive dafür. Neue Wohnkonzepte bieten die Chance weniger anonym, vereinzelt und fremdbestimmt zu leben. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen für gegenseitige Unterstützung, gemeinsame Nutzung von Räumen, Geräten und Fahrzeugen. Darüber hinaus ergibt sich eine höhere Flexibilität in der Wohnungswahl innerhalb eines Projekts, so kann ein selbstbestimmtes Wohnen im vertrauten Umfeld auch bei geänderten persönlichen Verhältnissen erhalten bleiben.

Wir GRÜNE setzen uns deshalb dafür ein, dass genossenschaftliche Bauherrenmodelle, Wohnungsinitiativen und Projekte des Mehrgenerationen-Wohnens, bei denen soziale und ökologische Verantwortung im Vordergrund stehen, kommunal unterstützt werden. Dies gilt sowohl für die Begleitung bei der Projektkonzeption (Unterstützung des „Runden Tisch“), bei der Suche nach geeigneten Immobilien bzw. Grundstücken als auch in allen Genehmigungsfragen. Bei der Vermarktung von städtischen Immobilien oder Grundstücken sind Wohninitiativen echte Chancen des Erwerbs einzuräumen.

Wohninitiativen sind ein großer Gewinn für die Stadt, durch sie wird die soziale Vernetzung und Verantwortung in der Gemeinschaft aber auch im Umfeld gestärkt. Ein willkommener Nebeneffekt einer gemeinschaftlichen Nutzung vor allem der Nebenräume oder der Fahrzeuge ist ein deutliche Gewinn des Lebensqualität für alle in der näheren Umgebung – durch weniger Flächenverbrauch und durch weniger Individualverkehr.