F – Grüne Wirtschaftspolitik

1. Einleitung

Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben in Wiesbaden Schwerpunkte im Dienstleistungsbereich und im Handel. Weitere wichtige Stützen sind Gesundheitswesen, Bäder, Kongresse und Tourismus. In letzter Zeit gewinnen auch die Kreativwirtschaft und die Hochschulen als Wirtschafts- und Standortfaktor an Bedeutung. Wiesbaden hat den Vorteil, relativ wenig von der Industrie abhängig zu sein. Dadurch ist unsere Stadt weniger von Strukturwandel und Arbeitsplatzplatzverlust in dieser Branche *) betroffen als andere.

Hierzu passen die Standortvorteile Wiesbadens:

  1. Die Stadt im Grünen / die Stadt mit viel Grün
  2. Historischer Stadtkern mit vielen schönen Altbauwohnungen
  3. Attraktive Einkaufsmöglichkeiten
  4. Vielfältiges kulturelles Angebot
  5. Gute Verkehrsverbindungen ins gesamte Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus

Die GRÜNEN wollen diese Standortvorteile erhalten und weiterentwickeln. Das große Plus Wiesbadens heißt Lebensqualität: sie ist ein wichtiger Grund, warum viele UnternehmerInnen – aber auch Kongresse – Wiesbaden treu bleiben. Viele AbsolventInnen der Hochschule RheinMain suchen ihr Glück häufig zuerst in den Metropolen, erinnern sich dann aber an die Vorzüge Wiesbadens – und kommen zurück, um hier etwas aufzubauen. Den Wirtschaftsfaktor Lebensqualität langfristig zu sichern, hat für die GRÜNEN deshalb eine hohe Priorität.

Ansatzpunkte für die Stadtpolitik sehen wir vor allem

  1. im Erhalt eines lebenswerten, lebendigen und grünen Wiesbadens in Innenstadt und Vororten auch als Basis für einen starken Einzelhandel < Stadtentwicklung & Bauen >
  2. in der Stärkung des innerstädtischen Einzelhandels durch Verzicht auf die Ausweisung weiterer Flächen für Groß- und Fachmärkte „auf der grünen Wiese“
  3. in der Förderung von Gesundheitswesen, Kongressen und Tourismus
  4. bei der gezielten Unterstützung der Kreativwirtschaft durch mehr Vernetzung, Sichtbarmachung und Bereitstellung von Räumen  stärker fördern und sichtbar machen
  5. im Grundsatz, neue Arbeitsplätze möglichst flächen- und ressourcensparend zu schaffen
  6. < Gewerbegebiete im Themenbereich Stadtentwicklung & Bauen >
  7. in der Erleichterung von Unternehmensgründungen durch Raum-, Beratungs- und Vernetzungsangebote
  8. in der Ansiedlung – vor allem innovativer – Industrieunternehmen, die zur Wertschöpfung in Wiesbaden beitragen, soweit deren Umweltbelastung vertretbar ist. Potenzial für Wiesbaden sehen wir hier – wie auch das DIW – vor allem in den Bereichen Forschung und Entwicklung, technische Dienste sowie Leitungs- und Organisationsfunktionen
  9. in der vermehrten Vergabe öffentlicher Aufträge an regionale Dienstleister, Händler und Handwerksbetriebe

2. Zukunftsbranche Kreativwirtschaft stärker fördern und sichtbar machen

Die Kreativwirtschaft ist die meist unterschätzte Branche unserer Stadt. Hessenweit ist sie bereits die sechstgrößte Branche.

11 Teilmärkte bilden zusammen die Kreativwirtschaft: Werbemarkt, Software & Games, Presse, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Filmwirtschaft, Buchmarkt, Musikwirtschaft, Darstellende Künste, Rundfunkwirtschaft und Kunstmarkt. Hessenweit liegt sie mit über 70.000 Beschäftigten vor der Pharma- und Chemieindustrie oder dem Maschinenbau.

Auch Wiesbaden profitiert: Einige Verlage haben sich weltweit Anerkennung erarbeitet, Wiesbadener Kommunikationsagenturen räumen internationale Preise ab, zum Branchen-Event see conference pilgern jährlich knapp 1.000 Design-Fachleute in unsere Stadt, der Studiengang Kommunikationsdesign der Hochschule Rhein-Main gilt als einer der Top 3 deutschlandweit, mit dem Heimathafen ist ein Treffpunkt mit Strahlkraft entstanden und der Ruf als Filmstadt hält sich beständig. Die Kreativwirtschaft zahlt positiv auf ein urbanes, lebendiges Image ein, beflügelt sich gegenseitig mit der Kulturszene und stößt Innovationen an. Kreativität in der Wirtschaft führt zu Kreativität auf den Straßen.

Schwarz-Rot hat für diese Chancen keinen Blick gehabt – weder im Koalitionsvertrag, noch im politischen Handeln. Ein Beispiel: Wiesbadens einziges offizielles Gründerzentrum, der ‚Startblock‘, kann die Bedürfnisse der Kreativwirtschaft nicht annähernd erfüllen. Es liegt weit außerhalb am Stadtrand, eine Vernetzung mit der aktiven Kreativwirtschafts-Szene und der Hochschule RheinMain fehlt völlig.

Die GRÜNEN wollen die Kreativwirtschaft auf verschiedene Weise unterstützen:

  1. Die GRÜNEN wollen mithelfen, der heterogenen Szene mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. Wenn die Kreativwirtschaft oder die Hochschule für Projekte wie eine Jobmesse, eine Wiedereinführung der Designtage mit Abend der offenen Agenturen oder andere Stadt-Events politische Unterstützung braucht, so leisten wir GRÜNE diese gerne.
  2. Wir sehen die städtische Standortpolitik in der Pflicht: Sie muss der Kreativwirtschaft mehr Aufmerksamkeit schenken. Eine zentrale Anlaufstelle, wie sie der GRÜNE Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir auf Hessen-Ebene bereits geschaffen hat, würde auch Wiesbaden gut zu Gesicht stehen.
  3. Wie andernorts könnte auch in Wiesbaden eine zentrale Webseite Informationen und Angebote bündeln. Die Stadt soll hierfür die nötigen Ressourcen bereitstellen.
  4. Die GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass mehr nutzbare Räume zur Verfügung gestellt werden – sei es für Büros, Veranstaltungen oder Ausstellungen. Helfen kann dabei auch eine neue Kultur der Zwischennutzung.
  5. Die GRÜNEN machen sich für ein Gründerzentrum für die Kreativwirtschaft in urbaner Umgebung stark, das Service aus einer Hand bietet und Vernetzung erleichtert.
  6. In Wiesbaden können sich die GRÜNEN ein solches Start-up-Zentrum z.B. auf dem Gelände des Alten Gerichts in der Moritzstraße oder am Elsässer Platz – als Bindeglied zwischen Westend und Hochschul-Campus – vorstellen.
  7. Die Hochschule RheinMain bildet im Fachbereich Design, Informatik und Medien jedes Jahr hochqualifizierten Nachwuchs für die Branche aus. Die GRÜNEN wollen mithelfen, den Standort Wiesbaden attraktiver zu machen – zuerst um Studierende anzuziehen, dann um ihnen nach ihrem Studium eine Perspektive zu bieten.
  8. Unternehmensgründungen von Absolventinnen und Absolventen wollen wir durch Raum-, Beratungs- und Vernetzungsangebote erleichtern.
  9. Der Fachbereich Design, Informatik und Medien liegt am Standort ‚Unter den Eichen‘ idyllisch am Waldrand – damit aber außerhalb des Sichtfelds der Bevölkerung. Deshalb unterstützen die GRÜNEN Initiativen für mehr Sichtbarkeit, etwa durch Einrichtung eines ‚Innenpostens‘ mit Ausstellungsräumen im Herzen der Stadt.
  10. Aus der Kreativwirtschaft entspringen immer wieder Projekte und Ideen, die der ganzen Stadt nutzen. In der Vergangenheit wurden diese oft von bürokratischen Hemmnissen ausgebremst. Die GRÜNEN wollen solchen visionären Projekten durch bestmögliche Begleitung und Beratung Rückenwind geben.

3. Einzelhandel

Erfolgreiche Städte bieten ihren BürgerInnen eine hohe Lebensqualität und einen attraktiven Lebensraum. Dazu gehört für die GRÜNEN auch ein vielfältiger Einzelhandel in der Innenstadt und in den Vororten.

Die Situation in Wiesbaden: Vor allem inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte in der City und in den Vororten – meistens mit erfahrenem und gut geschultem Personal – schließen zunehmend. Sie werden allenfalls ersetzt durch Filialen der großen Ketten oder durch Billigläden in der Innenstadt.

In den Vororten fallen Läden im unmittelbaren Wohnumfeld weg, die vor allem für ältere MitbürgerInnen dringend notwendig sind. Die Kaufkraft der BürgerInnen wandert ab in Einkaufszentren oder in den Online-Handel. Dies führt auch zu einem Rückgang der dringend benötigten Gewerbesteuereinnahmen der Stadt.

Die GRÜNEN streben ein lebenswertes, lebendiges und grünes Wiesbaden an, das in seiner Innenstadt und in den Vororten weiterhin einen vielfältigen Einzelhandel hat. Die Stadt Wiesbaden soll wie andere Städte auch einen City-Manager einstellen, der alle Aktivitäten der Stadt und der Verbände hierzu koordiniert oder unterstützt, zum Beispiel zu

  1. Direktvermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Wiesbaden
  2. Werbemaßnahmen für ökologische, regional erzeugte bzw. fair gehandelte Produkte und für Alternativen zur Plastiktüte
  3. gemeinsame Beschaffung von Alternativen zur Plastiktüte
  4. Aufbau des Online-Handels als zweiten Vertriebsweg von Einzelhandelsgeschäften
  5. Gründung und Betrieb von Ladengemeinschaften
  6. gemeinsame Warenauslieferung – auch für Online-bestellte Waren (Beispiel Kiezkaufhaus Wiesbaden)
  7. quartierweise abgestimmte variable Öffnungszeiten vor allem für Berufstätige (z.B. jeweils einen vereinbarten Tag mit besonders früher Ladenöffnung und einen Tag mit besonders spätem Ladenschluss)
  8. Möglichkeiten zum zwischenzeitlichen Aufbewahren von Einkäufen auch an Wochentagen
  9. Rabatt auf die ÖPNV-Nutzung (ähnlich Veranstaltungs-Tickets) und nicht nur auf die Nutzung von Parkhäusern
  10. mehr und sicherere Fahrradstellplätze

sowie in den Vororten durch Unterstützung bei der Errichtung und Organisation von

  1. Bürgerläden (von BürgerInnen auf genossenschaftlicher Basis betriebene Läden)
  2. Cap-Märkte (CAP ist ein deutsches Handelsunternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart. In diesen Märkten arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam) und
  3. rollenden Verkaufsläden

Die GRÜNEN verlangen, dass die Stadt zur Stabilisierung des Einzelhandels in Innenstadt und Vororten keine weiteren Flächen für Groß- und Fachmärkte in den Außenbezirken ausweist. Dies sollte in dem Regionalplan Südhessen sowie in Flächennutzungsplan und Bebauungsplan in rechtlich verbindlicher Form festgeschrieben werden.

In einer Stadt mit einem vielfältigen Einzelhandel in der City und in den Vororten können sich alle BürgerInnen der Stadt wohl fühlen. Dies gilt vor allem ältere und behinderte BürgerInnen, die auf Läden nahe an ihren Wohnungen angewiesen sind.

4. Tourismus und Kurwesen

Tourismusbranche, Kongresse und das Kurwesen sind für Wiesbaden nach wie vor wichtige Wirtschaftszweige. Sie haben eine wesentliche Bedeutung für das grüne Leitbild. Die GRÜNEN begreifen die Tourismusförderung immer auch als Stärkung der Regionen.

Wir wollen den stets mit Tourismus einhergehenden Verkehr in umweltfreundlichere Bahnen lenken. Dabei fängt der von uns befürwortete sanfte Tourismus bei der An- und Abreise an.

Wiesbaden soll vor allem als Ausgangspunkt oder Zwischenstation für Wanderungen oder Radwandertouren noch mehr in den Blickpunkt gerückt werden. Es gibt wenige Orte, in denen sich Stadtbesichtigung und Naturerlebnis so gut kombinieren lassen könnten wie in Wiesbaden. Ein ideales Verkehrsmittel, um die Natur in Wiesbadens Umland zu erkunden, ist das Elektrofahrrad. Allerdings klaffen gerade im Radwegenetz riesige Lücken: So gibt es derzeit keine vernünftige Verbindung von der Innenstadt an den Rhein, in den Rheingau und nach Mainz.

Die GRÜNEN fordern daher:

  1. eine Touristeninformation im oder am Hauptbahnhof
  2. eine ausreichende Zahl von Übersichtsplänen in der Stadt
  3. die leichte Nutzbarkeit des künftigen städtischen Fahrradverleihsystem auch für TouristInnen

Auch bei der Ausrichtung von Kongressen spielen ökologische Aspekte eine immer stärkere Rolle. Unternehmen, Kongressteilnehmer, Aktionäre interessieren sich für CO2- Bilanzen und klimaneutrale Veranstaltungen. Deshalb setzten wir uns dafür ein, dass Wiesbaden mit dem Qualitätsmerkmal „Nachhaltiger Tourismus“ identifiziert wird und hier eine starke Marktstellung erlangt.

Die GRÜNEN fordern daher ein verstärktes Angebot von Kombitickets für Verkehr und Veranstaltungen.

Weiteres Kernanliegen ist für uns die Barrierefreiheit. Wir wollen dies zu einem Qualitätsmerkmal des Tourismus zu machen, der Wiesbaden für ältere Menschen und für Menschen mit Behinderung und auch für Eltern mit Kleinkindern noch attraktiver machen würde. Dies gilt in noch stärkerem Maße für das Kurwesen.

Die GRÜNEN halten daher u.a. durchgehende Busse vom Hauptbahnbahnhof zu allen Kurkliniken für erforderlich.

5. Rhein-Main Hallen / Messe

Die Rhein-Main Hallen bereichern mit Ihren Veranstaltungen das Leben in der Stadt und stellen gleichzeitig ein wichtiges Aushängeschild für Wiesbaden dar. Deshalb haben wir GRÜNEN uns stets für den Erhalt und die Fortentwicklung des Messewesens in Wiesbaden eingesetzt, einen in der Größe angemessenen und seriös finanzierten Neubau des Veranstaltungsstandortes immer befürwortet.

Die große Koalition hat sich jedoch weit von dieser Idee entfernt und statt eines bedarfsgerechten Neubaus ein überdimensioniertes und sehr kostspieliges Prestigeprojekt beschlossen. Hierbei war man mit Blick auf die letzten Meldungen nicht willens oder in der Lage einen verlässlichen Kostenrahmen zu benennen. So musste die Kostenschätzung beispielsweise deshalb nach oben hin angepasst werden, weil Aufwendungen für Zinsen während der Bauzeit sowie die Innenausstattung „vergessen“ worden waren.

Um weiteren finanziellen Schaden von den BürgerInnen der Stadt Wiesbaden abzuhalten, fordern die GRÜNEN:

  • ein rigides Kostencontrolling während der Bauphase
  • gesteigerte Vermarktungsaktivitäten der Hallenkapazitäten bereits zum jetzigen Zeitpunkt sowie

Schon frühe Konzeptstudien zum Neubau der Rhein-Main Hallen gingen – bei einem erheblich geringeren Investitionsvolumen – davon aus, dass der Betrieb des Neubaus nicht kostendeckend erfolgen würde und die Investitionskosten über die gesamte wirtschaftliche Nutzungsdauer nicht zu amortisieren sind. Gegenüber diesen ursprünglichen Planungen haben sich die Baukosten um mehr als die Hälfte erhöht. Insgesamt belaufen sich nun die Kosten für den Neubau auf annähernd 200 Mio. Euro. Ein Ende der Fahnenstange scheint noch nicht erreicht. Um endlich wirksam weitere Mehrkosten zu verhindern und den Neubau nicht zum Fass ohne Boden werden zu lassen, ist ein strenges Kostencontrolling mit regelmäßigen Berichten zum Soll-Ist Vergleich dringend geboten.

Um die negativen finanziellen Auswirkungen des laufenden Betriebs auf die kommunalen Haushalte möglichst gering zu halten, ist eine hohe Auslastung der Rhein-Main Hallen notwendig. Schon jetzt wird der jährliche städtische Zuschuss für den laufenden Betrieb der neuen Hallen auf ca. 3 bis 6 Mio. Euro geschätzt. Die überdimensionierten Veranstaltungskapazitäten müssen in einem Umfeld vermarktet werden, das sich ohnehin durch Überkapazitäten, harten Wettbewerb und – als Konsequenz – erheblichen Preisdruck auszeichnet. Deshalb fordern die GRÜNEN, schon jetzt die Flächenvermarktung erheblich zu forcieren und neue Veranstaltungen für Wiesbaden zu gewinnen.

Es ist aber offensichtlich, dass die Gewinnung bestehender Veranstaltung von konkurrierenden Messestandorten nicht allein eine ausreichende Frequentierung der Rhein-Main Hallen gewährleisten kann. Daher setzen die GRÜNEN sich für einen Ideenwettbewerb zu weiteren Nutzungskonzepten für die Rhein-Main Hallen ein, um den finanziellen Schaden durch den Neubau zu mindern und den ideellen Nutzen für die WiesbadenerInnen zu steigern.

6. Die Marktmacht der Stadt nutzen: Nachhaltige Beschaffung – Fairer Handel

Für das Beschaffungswesen der Stadt muss gelten: Regional – ökologisch – fair !

Die öffentliche Hand in Deutschland gibt jährlich rund 360 Milliarden Euro für Waren und Dienstleistungen aus. Das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Allein auf die Kommunen entfallen hiervon 50 Prozent. Mit ihrer Marktmacht kann die Stadt durchaus Einfluss nehmen, indem sie bei der Vergabe und Beschaffung soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. Wiesbaden schmückt sich mit dem Fairtrade-Label, hat dafür aber viel zu wenig getan.

Das unter hessischer, grüner Regierungsbeteiligung erreichte Tariftreue- und Vergabegesetz ermöglicht jetzt eine stärkere Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien im Vergaberecht. Die Kosten sollen bei Ausschreibungen zwar weiterhin ein wesentliches Entscheidungskriterium sein. Allerdings soll – wie mit dem neuen Gesetz nun möglich – nicht mehr zwingend das günstigste Angebot den Zuschlag bekommen.

Wir GRÜNE setzen uns bei der Auswahl von Anbietern dafür ein, dass Unternehmen besonders berücksichtigt werden, die

  1. ökologisch und nachhaltig tätig sind
  2. sich besonders der Ausbildung widmen
  3. Tariflöhne zahlen
  4. die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern
  5. sich dem fairen Handel verschreiben

Diese Kriterien müssen auch von eingeschalteten Subunternehmern eingehalten werden. Dadurch können regionale, kleine und spezialisierte Unternehmen, die ihre Steuern in Wiesbaden zahlen, stärker berücksichtigt werden.

Die Möglichkeiten des Tariftreue- und Vergabegesetzes müssen auch genutzt werden, um zum Beispiel sicherzustellen, dass die Stadt keine Waren aus Kinderarbeit beschaffen kann. Für importierte Waren dürfen keine ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern in Kauf genommen werden, nur weil die Preise günstig sind. Hier gilt: „Global denken, lokal handeln!“

Wir GRÜNEN fordern bei der Auswahl von Produkten im Einzelnen:

  1. Die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), zu denen etwa Vereinigungs- und Tariffreiheit, Diskriminierungsverbot, Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit gehören, sollen als soziale Kriterien bei Vergaben langfristig in möglichst allen Bereichen gelten. Dies gilt z. B. für Natursteine, Blumen, Computer- und IT(Informationstechnik)-Geräte, Bekleidung und Textilien der Wiesbadener Feuerwehr und in den Krankenhäusern, Andenken und Geschenke oder in städtischen Einrichtungen verwendetes Spielzeug.
  2. Bei städtischen Empfängen sollen ausschließlich Kaffee und Tee aus fairem Handel angeboten werden (dies ist eines der fünf Kriterien, die erfüllt sein müssen, um „Fair Trade Town“ zu sein)
  3. Die Lebensmittel für die Verpflegung in Kindertagesstätten und Schulen sollen vorrangig regional und, soweit möglich, aus zertifiziertem fairem Handel bezogen werden.
  4. Beim Einkauf von Produkten sollen überprüfbare Gütezeichen (Siegel, Zertifikate, Labels) statt bloßer Eigenerklärungen eingefordert werden. Gleichzeitig müssen besonders regionale Kleinunternehmen dazu motiviert und dabei unterstützt werden, sich zertifizieren zu lassen, um die Anzahl zertifizierter Produkte in Wiesbadener Läden zu vergrößern.
  5. Auch bei Institutionen, die Zuschüsse von der Stadt Wiesbaden erhalten, soll zunehmend auf die Einhaltung der Prinzipien des fairen Handels geachtet werden.
  6. Die Stadt soll weiterhin mit Akteuren der Zivilgesellschaft kooperieren und öffentliche Kampagnen unterstützen mit dem Ziel, die Prinzipien des fairen Handels auf die gesamte Stadtgesellschaft auszuweiten. Für die erforderliche Öffentlichkeitsarbeit ist ein ausreichendes Finanzbudget in den städtischen Haushalt einzustellen.

An der bewährten Form der Einbindung der Verdingungskommission für die Auftragsvergabe der Stadt wollen wir GRÜNE festhalten. Die Verdingungskommission soll aber nicht erst die Vergabe von Aufträgen nach dem Abschluss von Ausschreibungen kontrollieren, sondern den ganzen Prozess der Ausschreibungen ab dem Versand der Ausschreibungsunterlagen begleiten.

7. Wiesbadener Jugend-Werkstatt weiter fördern

Die GRÜNEN fordern, dass junge Menschen bessere Perspektiven bei der Berufsausbildung bekommen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die auf Grund von Benachteiligungen weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir fordern daher die Aufrechterhaltung einer bedarfsgerechten Zahl an Ausbildungsplätzen in der Wiesbadener Jugend-Werkstatt (WJW). Es ist zu prüfen, welche Rolle die WJW bei der Qualifizierung von Flüchtlingen übernehmen kann.

Das Engagement der Stadt wird für alle Bürgen nützlich sein. Hohe zukünftige Kosten für nicht ausgebildete Schulabbrecher, sozial Benachteiligte, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen, Asylsuchende und andere Zuwanderer müssen dann nicht von der Allgemeinheit getragen werden.

8. Wiesbadener Bäderlandschaft und Freizeiteinrichtungen müssen erhalten bleiben

Bei der städtischen Gesellschaft Mattiaqua – sie betreibt Kaiser-Friedrich-Therme und Thermalbad Aukamm, die Bäder Kleinfeldchen, Mainzer Straße, Kostheim, Kallebad, Maaraue und Opelbad, die Freizeitgelände Rettbergsaue und Unter den Eichen sowie die Henkell-Kunsteisbahn – ist ein Investitionsstau entstanden. Seit 2008 weist Mattiaqua einen jährlichen Verlust aus. Es drohen Schließungen und Sanierungen können nicht durchgeführt werden.

Wir GRÜNEN fordern, dass alle Einrichtungen, die zu Mattiaqua gehören, erhalten bleiben und in den nächsten Jahren saniert werden.

Wiesbaden ist über die Region und seit Jahrhunderten als eine Kur- und Bäderstadt bekannt. Viele Gäste kommen wegen des Klimas und der besonderen Thermen. Die Einwohner profitieren von Freizeitanlagen, die für eine gesunde Entwicklung gleichwohl von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen notwendig sind. Sportlicher Ausgleich und Spaß ist lebenswichtig, um dem hektischen Alltag zu entkommen. Dazu tragen diese städtischen Einrichtungen bei.

Die Kostenstruktur der Mattiaqua muss dringend überprüft werden. Auch die Erhöhung der Eintrittsgelder ist zu prüfen. Dies kann eher an den Einrichtungen vorgenommen werden, die meist von Personen mit größeren verfügbaren Einkommen besucht werden, wie z.B. in Thermalbad. Opel-Bad oder Kaiser-Friedrich-Bad. Andere Einrichtungen wie die Rettbergsaue können dann eventuell frei von Gebühren bleiben. Vor allem aber muss die Gesellschaft dauerhaft eine qualifizierte Vollzeit-Betriebsleitung haben. Eine ausreichende Zahl qualifizierter Mitarbeiter muss erhalten bleiben. Es müssen notwendige Instrumente eingesetzt werden, damit langfristig die Wiesbadener Bäder- und Freizeitkultur erhalten bleibt.

Jährlich besuchen über 1,4 Millionen Gäste die Bäder- und Freizeiteinrichtungen in Wiesbaden, die zur städtischen Gesellschaft Mattiaqua gehören. Dadurch werden Einnahmen von ca. 7 Million € generiert. Die insgesamt ca. 110 Mitarbeiter (Teil- und Vollzeit) verursachen einen Personalaufwand von 4,4 Mill. € (Stand 2013). Mattiaqua ist ein Zuschussbetrieb. Dies war bei der Gründung im Jahr 2008 allen Verantwortlichen klar. Allerdings sank der Zuschuss der Stadt von ursprünglich 8,6 Mill. € um 1 Mill. € auf 7,6 Mio. €.

Im Frühjahr 2015 wird nun festgestellt, dass dieser Zuschuss nicht ausreicht, um notwendige Sanierungen vorzunehmen. Es wurden seit 2008 nur Schönheitsreparaturen und die betriebsbedingten Wartungsarbeiten durchgeführt. Offensichtlich wurde in den letzten Jahren „gespart“, um das Ergebnis zu schönen. Diese Fehlentwicklung hätte schon viel früher auffallen müssen.

Leider gab es bei Mattiaqua eine miserable Lage bei der Führung dieser städtischen Gesellschaft. Eine Vielzahl von Betriebsleitern wurde eingesetzt, die teilweise in nur wenigen Stunden pro Woche diesen riesigen Vorzeigebetrieb leiten sollten. Ein freiberuflicher Wirtschaftsprüfer, Mitarbeiter aus der Verwaltung, kommissarisch eingesetzte Leiter und kurzfristige aber erfahrene Werksleiter lösten sich ab. Erst im Sommer 2015 wurde die dauerhafte Leitung durch einen qualifizierten Betriebsleiter durch eine Stellenausschreibung angestoßen.

9. Handwerk in Wiesbaden

Das Handwerk ist in Wiesbaden mit 18.000 Beschäftigten und überproportional vielen Auszubildenden ein wesentlicher Wirtschaftszweig, der mehr Wertschätzung und mehr Förderung als bisher verdient. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden regionale Unternehmen aber viel zu wenig berücksichtigt. Auch die Unterstützung bei Neugründungen und Betriebsübernahmen ist zu gering.

Die GRÜNEN fordern, dass die Stadt ihre Handlungsmöglichkeiten nutzt:

  1. Bei Ausschreibungen sind regionale Handwerksbetriebe mehr zu berücksichtigen, um den Mittelstand zu stärken. Das unter Regierungsbeteiligung der GRÜNEN in Hessen erreichte Tariftreue- und Vergabegesetz gibt jetzt die Möglichkeiten dazu. < Die Marktmacht der Stadt nutzen: Nachhaltige Beschaffung – Fairer Handel >
  2. Um die Ansiedlung von Werkstatt-Betrieben zu erleichtern, sind geeignete Flächen in Wiesbaden auszuweisen, z. B. als Mischgebiete, in denen Wohnen und nichtstörendes Gewerbe nebeneinander erlaubt werden.
  3. Neugründungen und Betriebsübernahmen im Handwerk sind zu unterstützen
  4. Es sind HandwerkerInnen, die die Energiewende vor Ort realisieren, Häuser wärmedämmen, Solaranlagen installieren, neue Heizungen einbauen und die Wartung der Energiespartechnik durchführen.
    Dies gilt auch für Handwerksleistungen, die die Aufenthaltsqualität im Freien durch Anlage von mehr Grün und mehr Sitzgelegenheiten steigern.